Eine steuerrechtliche Betrachtung des SPD-Vorschlags zur Abschaffung der Steuerfreiheit
Von unserem Vorstandsmitglied Matthias Steger
Steuerfreiheit nach einem Jahr soll abgeschafft werden
Bisher gilt in Deutschland: Wer Bitcoin oder andere Kryptowährungen länger als ein Jahr hält, kann die erzielten Gewinne steuerfrei realisieren.
Diese Regelung soll nach Vorstellung des SPD-Seeheimer Kreises abgeschafft werden.
Künftig sollen „Veräußerungsgewinne unabhängig von der Haltedauer einheitlich besteuert werden“.
Damit würde Bitcoin faktisch wie ein dauerhaft steuerpflichtiges Anlagegut behandelt – unabhängig davon, ob es als langfristiges Sparmittel oder als Zahlungsmittel genutzt wird.
Fehlende Regulierung?
Der Seeheimer Kreis fordert mehr Regulierung und bezieht dabei pauschal auch das Steuerrecht mit ein. Dies ist aus folgenden Gründen sachfremd:
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SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil hat einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der DAC-8-Richtlinie eingebracht. Diese regelt umfassend die Meldepflichten von Exchanges sowie Crypto Asset Service Provider (CASP). Sie geht so weit, dass Vermögenswerte sogar eingefroren werden dürfen, wenn Nutzer die gesetzlich verlangten Angaben nicht rechtzeitig erbringen (Kryptotransparenzgesetz).
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Seit dem 01.01.2025 dürfen in der EU nur noch Kryptohandels- und -dienstleistungen erbracht werden, wenn der Anbieter MiCA-lizenziert ist.
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Sämtliche Exchanges unterliegen der Aufsicht der BaFin.
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Exchanges und CASPs müssen die Regelungen des Geldwäschegesetzes sowie die Sanktionsvorschriften der EU beachten.
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Jede Transaktion zu einer zentralen Exchange muss Angaben über den Absender enthalten (Transfer of Funds Regulation, ToFR).
Da die Blockchain zudem öffentlich einsehbar ist und Transaktionen pseudonym, aber nicht anonym verschlüsselt werden, hat der Staat bereits heute umfassende Einsichts- und Überwachungsmöglichkeiten – die mit Software wie Chainalysis weltweit zur Bekämpfung von Kriminalität eingesetzt werden.
Vereinfacht gesagt: Kaum ein anderes Handelsgut wird weltweit derart stark reguliert wie der Handel mit Bitcoin.
Die Aussage des Seeheimer Kreises ist daher nicht zutreffend.
Gerechtigkeit der Besteuerung
Steuern werden auf Basis der Verfassung erhoben. Das bedeutet, dass nicht jede Vermögensmehrung automatisch besteuert werden darf. Nach der bisherigen Systematik des Einkommensteuergesetzes sollen private Vermögensmehrungen nur im Ausnahmefall besteuert werden.
Entsprechend verbietet § 23 EStG die Besteuerung von Gegenständen des täglichen Bedarfs (z. B. PKW oder selbstgenutzte Immobilien).
Bitcoin wird nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als „sonstiges Wirtschaftsgut“ im Sinne des § 23 EStG angesehen – ebenso wie nicht selbstgenutzte Immobilien, Fremdwährungen, Edelmetalle oder Rohstoffe.
Der Seeheimer Kreis geht also von falschen Grundlagen aus, denn im geltenden Recht werden diese „sonstigen Wirtschaftsgüter“ gleich behandelt.
Erst der SPD-Vorschlag würde zu einer ungerechten Besteuerung führen, da Gleiches nicht mehr gleich besteuert würde.
Gleichsetzung von Bitcoin mit Aktien
Der Seeheimer Kreis scheint vergessen zu haben, warum Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften schrittweise aus dem Anwendungsbereich des § 23 EStG herausgenommen und der Abgeltungsteuer unterworfen wurden.
Die Einführung der Besteuerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in § 17 EStG war notwendig, weil andernfalls Gewinnausschüttungen besteuert worden wären, nicht aber der Verkauf „nicht ausgeschütteter Gewinne“.
Ähnlich verhält es sich mit der Einbeziehung von Aktiengewinnen in § 20 EStG, sofern keine wesentliche Beteiligung (§ 17 EStG) besteht. Auch hier sollten Dividenden und Kursgewinne einheitlich behandelt werden.
Bei Bitcoin ist dies jedoch nicht der Fall, da es keine Gewinnausschüttungen, sondern nur Handelsgewinne gibt.
Bitcoin ist daher am ehesten mit Gold vergleichbar.
Gerechtigkeit durch Besteuerung wie Immobilien
Bitcoin-Veräußerungsgewinne werden analog zu Immobilien nur dann besteuert, wenn die Spekulationsfrist nicht abgelaufen ist.
Der Seeheimer Kreis scheint das geltende Recht an dieser Stelle aus den Augen verloren zu haben.
Gerechtigkeit durch Besteuerung wie Aktien
Eine Besteuerung nach der Abgeltungsteuer wurde von der SPD bereits im Bundestagswahlkampf gefordert, auch wenn sie letztlich nicht im Wahlprogramm enthalten war.
Die Einführung der Abgeltungsteuer auf Kryptogewinne würde jedoch kurzfristige Spekulation gegenüber langfristiger Investition begünstigen.
Nach aktueller Rechtslage prüft ein Anleger vor dem Verkauf, ob bis zu 48 % Steuern auf den Gewinn anfallen, und verschiebt ggf. seine Gewinnmitnahme bis zum Ablauf der Spekulationsfrist.
Der Spekulant hingegen erzielt durch häufige Umschläge eventuell hohe Gewinne – muss diese jedoch mit bis zu 48 % versteuern. Das wirkt abschreckend.
Würde man den Steuersatz auf 25 % absenken, stiege die Rendite der Spekulanten um fast 50 %. Der Gesetzgeber würde damit massive Anreize zum „Zocken“ schaffen.
Der langfristig orientierte Anleger müsste hingegen 25 % mehr Rendite erwirtschaften als heute, was ihn zu früheren Gewinnmitnahmen verleiten würde.
Verlustrisiko wird ignoriert
Der Seeheimer Kreis betrachtet nur Gewinne, ignoriert aber die Verlustrisiken.
Würde man den Vorschlag einer Gleichsetzung mit Aktien umsetzen, müssten Verluste aus Kryptoverkäufen mit Einkommen aus Kapitalanlagen verrechnet werden. Insolvenzen wie FTX, Genesis, BlockFi oder Hackerangriffe könnten dann zu einer steuerlichen Beteiligung der Allgemeinheit führen.
Verluste würden damit sozialisiert – der Steuerzahler würde sich indirekt mit 25 % beteiligen.
Bitcoin ist nicht gleich Krypto
Der Bitcoin Bundesverband weist abschließend darauf hin, dass Bitcoin sich grundlegend von anderen sogenannten Krypto-Assets unterscheidet.
Bitcoin ist kein spekulativer Token, der durch ein Unternehmen emittiert oder zentral gesteuert wird, sondern ein dezentrales, offenes Geldsystem, das ohne Intermediäre funktioniert.
Während viele Krypto-Projekte auf kurzfristige Gewinne und Tokenisierung ausgerichtet sind, steht Bitcoin für langfristige Werterhaltung und finanzielle Unabhängigkeit.
Eine pauschale Gleichbehandlung aller digitalen Vermögenswerte wird dieser Differenz nicht gerecht und gefährdet die Akzeptanz und Nutzung von Bitcoin als digitales, grenzenloses Zahlungsmittel.
Bürokratiekosten und -aufwand
Eine Abschaffung der Haltefrist hätte weitreichende Folgen:
Jede alltägliche Bitcoin-Zahlung – etwa für einen Kaffee, ein Bahnticket oder eine Spende – würde zu einem steuerrelevanten Ereignis.
Nutzer müssten bei jeder Transaktion den Anschaffungszeitpunkt und Kurswert dokumentieren, um potenzielle Gewinne oder Verluste zu berechnen.
Das macht alltägliche Zahlungen mit Bitcoin praktisch unmöglich und konterkariert die Idee einer dezentralen, nutzerfreundlichen Zahlungsalternative.
Auch die Finanzverwaltung müsste erheblich mehr Ressourcen für die Überprüfung solcher Vorgänge aufwenden.
Standortnachteil für Deutschland
Auch wirtschaftlich wäre eine solche Steueränderung problematisch.
Während andere Länder in Europa – etwa Österreich oder Portugal – krypto- und innovationsfreundlichere Rahmenbedingungen schaffen, würde Deutschland mit einer zusätzlichen Steuerbelastung weiter an Attraktivität verlieren.
Unternehmen, Entwickler und Start-ups, die an Bitcoin- oder Blockchain-Technologien arbeiten, könnten abwandern – ein klarer Nachteil im europäischen Standortwettbewerb.
Digitaler Euro: kein Fortschritt, sondern mehr Kontrolle
Die SPD stellt die Einführung eines Digitalen Euro als Schritt zu einem sicheren und modernen Zahlungssystem dar.
Aus Sicht des Bitcoin Bundesverbands ist die Einführung eines staatlich kontrollierten, zentralisierten digitalen Geldes jedoch nicht sinnvoll.
Ein Digitaler Euro würde keine der grundlegenden Probleme des bestehenden Finanzsystems lösen – im Gegenteil: Er könnte zu einer stärkeren Überwachung und Kontrolle der Bürger führen.
Dass die SPD gleichzeitig ein solches staatliches System fördert, aber dezentrales digitales Bargeld wie Bitcoin durch steuerliche Hürden faktisch verhindern will, zeigt eine besorgniserregende Schieflage in der politischen Debatte.
Bitcoin bietet – im Gegensatz zum Digitalen Euro – echte finanzielle Souveränität: Jeder Mensch kann selbst über sein Geld verfügen, ohne auf Banken oder staatliche Systeme angewiesen zu sein.
Statt Kontrolle und Überwachung braucht es Vertrauen in offene, überprüfbare Systeme.
Fazit: Kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt
Der Bitcoin Bundesverband sieht die Vorschläge des Seeheimer Kreises als Rückschritt in Richtung digitaler Eigenverantwortung und Innovation.
Eine Besteuerung jeder kleinsten Transaktion würde den alltäglichen Gebrauch von Bitcoin faktisch unmöglich machen.
Anstatt Innovationen zu bremsen, sollte Deutschland Rahmenbedingungen schaffen, die finanzielle Bildung, technologische Offenheit und Souveränität fördern – und die Unterschiede zwischen Bitcoin und Krypto-Assets klar berücksichtigen.

