Bitcoin und die Dynamik von Geldsystemen:
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Analyse von Bindseil und Schaaf (EZB)
The distributional consequences of Bitcoin
von Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf (EZB)
(Quelle)
Der Bundesvorstand des Bitcoin Bundesverband äußert sich dazu wie folgt:
Die Analyse von Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf bietet einen kritischen Blick auf die Bitcoin Verteilungseffekte, lässt aber wesentliche ökonomische Mechanismen außer Acht, die für ein umfassendes Verständnis notwendig sind. Diese Antwort zielt darauf ab, drei zentrale Aspekte, die in dem Papier übersehen werden, zu erläutern: Den Nullsummencharakter von Geldsystemen, die Umverteilungsdynamik in inflationären und dezentralen Systemen und die Rolle der politischen Vertretung bei der Förderung einer fairen Regulierung.
1. Der Nullsummencharakter von Geldsystemen und die Verschiebung zwischen Währungen
Ein grundlegender Mechanismus, der in der Analyse von Bindseil und Schaaf nur unzureichend berücksichtigt wird, ist das allen Geldsystemen innewohnende Nullsummenspiel. Der Wert einer Währung oder eines Vermögenswertes, egal ob es sich um eine Fiat-Währung, wie den Euro oder den US-Dollar oder einen Vermögenswert wie Gold, Immobilien, Aktien oder Geld wie Bitcoin, handelt, basiert nicht auf dem intrinsischen Wert, sondern auf dem subjektiven Vertrauen und der Nachfrage der Nutzer und Nutzerinnen. Wenn Kapital umgeschichtet wird – z. B. von Euro zu Immobilien, Gold, Aktien, Bitcoin oder den US-Dollar – sinkt der Wert des ursprünglichen Vermögenswerts in der Regel, wenn die Alternative an Wert gewinnt. Dieser Prozess, der zentral für Wirtschaftszyklen und Marktdynamik ist, veranschaulicht, wie Kapitalumschichtungen zu Umschichtungen zwischen Anlageklassen führen können, ohne dass die Inhaber und Inhaberinnen einer Anlageklasse notwendigerweise stärker „verarmen“ als die Anderen.
Es ist auffallend, dass im EZB-Papier die Vergleiche mit Gold fehlen. Der wahrgenommene Wert von Bitcoin spiegelt den Wert von Gold wieder, ein Vermögenswert, der trotz des Fehlens direkter Geldflüsse, Zinsen oder Dividenden hoch bewertet wird und der in ähnlicher Weise von Knappheit und subjektivem Vertrauen abhängt. Friedrich Hayek stellte in „Entstaatlichung des Geldes“ fest, dass wettbewerbsfähige Währungssysteme zu stabilen und vertrauenswürdigen monetären Alternativen führen. Bitcoin, mit seinem gedeckelten Angebot und dezentralen Rahmen ist ein Beispiel für einen Vermögenswert mit dauerhafter Stabilität gegen inflationäre Politik, die oft bei Fiat-Währungen zu beobachten ist.
2. Umverteilungseffekte in inflationären und dezentralen Systemen
Bindseil und Schaaf argumentieren, dass Bitcoin Early Adopter begünstigt, was dazuführt, was sie als ungerechte Umverteilung von Wohlstand bezeichnen. Diese Dynamik gibt es jedoch nicht nur bei Bitcoin. Fiat-basierte Systeme, die auf kreditgetriebenes Wachstum und expansive Geldpolitik angewiesen sind, verteilen die Kaufkraft systematisch um und begünstigen typischerweise die Besitzer von Vermögenswerten gegenüber einkommensschwächeren Gruppen, da die Inflation die Kaufkraft derErsparnisse aushöhlt. Joseph Stiglitz hat die Inflation als „versteckte Steuer“ bezeichnet, die diejenigen am meisten trifft, die am wenigsten in der Lage sind, ihr entgegenzuwirken. Im Gegensatz dazu findet die Umverteilung bei Bitcoin während der Monetarisierungsphase statt, wenn die Akzeptanz steigt, wobei die Vermögensverschiebungen danach von der Wertschöpfung und nicht von der Inflation bestimmt werden.
Ludwig von Mises betonte, dass eine inflationäre Politik die allgemeine Kaufkraft untergräbt und zu einer Umverteilung des Reichtums zugunsten derjenigen, die früh Zugang zu neu geschaffenem Geld haben, führt. Die Struktur von Bitcoin als dezentralisierte Währung mildert diese Art der fortlaufenden, inflationsgetriebenen Umverteilung und schützt die Inhaber vor Verwässerung durch externe Intervention.
3. Politische Repräsentation und die Wichtigkeit von Lobbying
Die Autoren kritisieren das politische Engagement der Bitcoin-Befürworter, übersehen aber die Notwendigkeit einer solchen Vertretung zur Förderung von Innovationen in einem dezentralen System.
Die Bitcoin-Gemeinschaft ist eine Bottom-up-Initiative, angetrieben von Einzelpersonen und Unternehmen, die sich für dezentralisierte, inflationssichere Geldsysteme einsetzen. Viele dieser Akteure haben Bitcoin in ihre Geschäftsmodelle integriert und brauchen regulatorische Sicherheit, um effektiv arbeiten zu können. Da die Rolle von Bitcoin als alternatives Finanzsystem traditionelle Paradigmen in Frage stellt, ist politisches Engagement nicht nur strategisch sinnvoll, sondern unerlässlich, um uninformierte oder restriktive politische Entscheidungen zu verhindern.
Wie das Papier feststellt, hat die Zahl der Krypto-Lobbyisten in den USA zugenommen, was für einen Bedarf an einer informierten Vertretung angesichts der sich entwickelnden Regulierungslandschaft spricht. Die Bemühungen der Bitcoin-Gemeinschaft zielen darauf ab, eine faire Regulierung zu fördern, nicht Preisspekulation, wie behauptet. Indem sie sich an die politischen Entscheidungsträger wenden, versuchen die Bitcoin-Befürworter einen offenen Rahmen zu schaffen, in dem dezentrale Systeme mit traditionellen Institutionen koexistieren können.
Zusätzliche Gegenargumente zu bestimmten Behauptungen im EZB-Papier
- Falsche Darstellung des Zwecks von Bitcoin: Die Autoren behaupten, dass „das ursprüngliche Versprechen von Bitcoin“ gewesen sei, die globalen Zahlungssysteme zu verbessern, was eine Fehlinterpretation von Satoshi Nakamotos Absicht ist. Bitcoin wurde als „besseres Geld“ entworfen, das sich gegen zentralisierte Kontrolle richtet und vertrauenslose Transaktionen ermöglichen soll. Diese Unterscheidung ist zentral dafür, Bitcoins Funktion zu verstehen, die über ein Zahlungsmittel hinaus geht.
- Vergleich der Volatilität: Die Behauptung, Bitcoin sei „zu volatil“, um als Wertaufbewahrungsmittel zu dienen, übersieht, dass Fiat-Währungen im Vergleich zu Bitcoin oder Gold im Laufe der Zeit aufgrund der Inflation erheblich an Kaufkraft verloren haben. Der Euro, zum Beispiel, ist seit seiner Einführung im Vergleich zu Gold um 90 % gefallen, was darauf hindeutet, dass die Volatilität ein relative Größe ist und nicht ein inhärenter Fehler von Bitcoin.
- El Salvadors Erfahrung mit Bitcoin: Während das EZB-Papier Bitcoin als „Fehlschlag“ in El Salvador beschreibt, zeigt die Einführung in El Salvador, wie schwierig es ist, einen Geldwechsel top-down durchzusetzen. Die Einführung von Bitcoin schreitet dort weiter fort, wobei aktuell etwa 8 % der Transaktionen – Berichten zufolge – in Bitcoin abgewickelt werden. Dies ist für eine aufstrebende Währung bedeutsam und sollte eher als Reflexion über die Implementierungsstrategie als über die Lebensfähigkeit verstanden werden.
- Die Rolle des Lightning-Netzwerks: Das Papier vernachlässigt Lösungen auf der zweiten Ebene (Second Layer Solution) wie das Lightning Netzwerk, das die Beschränkungen der Bitcoin-Blockchain ausgleicht, indem es skalierbare, schnelle und kostengünstige Zahlungen ermöglicht. Das Potenzial von Bitcoin als Zahlungsmethode abzutun, ohne diese Fortschritte anzuerkennen, spiegelt eine oberflächliche Einschätzung der sich entwickelnden Infrastruktur von Bitcoin wider
- Energieverbrauch und Double Spending: Die Autoren kritisieren Bitcoins Proof-of-Work Mechanismus als ineffizient. Sie versäumen es jedoch, vergleichende Daten über die Kosten und den Energieverbrauch im Zusammenhang mit der alten Bankeninfrastruktur darzulegen. Proof-of-Work sichert das Netzwerk und verhindert Double Spending, ohne dass ein vertrauenswürdiger Dritter erforderlich ist. Dies ist ein Vorteil für Nutzerinnen, die die Sicherheit dezentraler Transaktionen schätzen.
- Bitcoin als Spekulationsblase: Während die Autoren oder vielmehr „die Ökonomen“ Bitcoin als Blase einstufen, gehen sie nicht auf die anhaltende Nachfrage und die zunehmende Akzeptanz als Wertaufbewahrungsmittel ein. Anders als Fiat-Währungen, die von der Politik der Zentralbank abhängen, entsteht der Wert von Bitcoin aus einem transparenten, dezentralen Angebotsmodell. Was den Bitcoin Mangel an „produktivem Potenzial“ angeht, liegt sein Wert in seiner Fähigkeit als zensurresistentes, widerstandsfähiges und inflationsunempfindliches Gut.
Schlussfolgerung
Die Analyse von Bindseil und Schaaf der EZB zu Bitcoin scheint auf einer einseitigen Sichtweise zu beruhen, die relevante Aspekte außer Acht lässt, die strukturellen Probleme in Fiat-Systemen nicht berücksichtigt, die Innovationen von Bitcoin übersieht und den gesellschaftlichen Nutzen von Bitcoin ablehnt. In diesem Licht betrachtet, stellt Bitcoin eine transparente, dezentralisierte und langfristig stabile Alternative dar, die vor inflationsbedingter Umverteilung schützt. Sein Wachstum stellt die Rolle der traditionellen Banken in Frage und unterstreicht die Notwendigkeit finanzieller Freiheit. Die EZB sollte sich diese Innovation zu eigen machen und einen sinnvollen Dialog darüber führen, wie ein dezentrales Finanzwesen auf den globalen Märkten koexistieren kann. Anstatt zum Widerstand aufzurufen, könnte die EZB davon profitieren, die Anreize anzuerkennen, die Bitcoin für Zentralbanken schafft, um die Geldpolitik zum Wohle der Gesellschaft insgesamt zu verbessern.
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